Ein junger Mann lauscht vom Nebenraum aus der Geschichte seiner Schwester, die seine eigene ist. Es sind die Ereignisse und Umstände einer dramatischen Nacht, in der er den jungen Rena mit in seine Pariser Wohnung nimmt. Was mit einer unschuldigen Annäherung beginnt, eskaliert: Die Wohnung des jungen Ich-Erzählers in Édouard Louis’ autobiografischem Roman wird zum Raum der Gewalt, als Rena ihn mit dem Tode droht. Weil er die Erlebnisse dieser Nacht bei seinen Freunden, der Polizei und seiner Familie immer wieder rekapitulieren muss, wird er zum Opfer gemacht, das er nicht sein will. Mitfühlend und sensibel schreibt Louis in Im Herzen der Gewalt über die Erlebnisse dieses Abends, seine Auswirkungen und die sichtbaren und unsichtbaren Formen der Gewalt – in den Räumen seiner Pariser Wohnung, aber auch in jenen seiner dörflichen Heimat und der konservativen Lebenswelt seiner Schwester, denen er entflohen ist. Édouard Louis weiß, wie es sich anfühlt, ausgeschlossen zu sein: Aufgewachsen als queerer Junge in einer französischen Fabrikstadt, war er in seinem Zuhause immer fremd, immer anders. Über seine Erfahrungen und die sie bestimmenden Zusammenhänge von Armut, sozialer Isolation und Geschlechterfragen schrieb er seinen in über 20 Sprachen übersetzten Debütroman Das Ende von Eddy. Im simultangedolmetschten Gespräch mit Salon-Moderatorin Charlotte Milsch werden die Räume der Gewalt noch einmal durchschritten – und die Möglichkeiten der Literatur diskutiert, diese Räume zu öffnen.
Im Rahmen des Literaturfestes Niedersachsen.
Altlas der Literaturen