»Königstorkinder« am Rand der Mitte

 

Alexander Osang (Autor, Berlin) | Mo | 29. 11. 2010 | 20 Uhr | Conti-Hochhaus, 14. Etage

Romane sind Dichtungen, die die vielen Wahrheiten des Lebens zu etwas Neuem zusammensetzen. Und man könnte hinzufügen: Je schärfer der Blick des Autors, desto besser für die Kunst. Ein genaues Auge für seine Umwelt hat Alexander Osang ganz sicher. Immerhin ist er im Hauptberuf Reporter, und zwar einer der besten: In der DDR aufgewachsen, ist er seit den 90ern weit herumgekommen, und mit fast beiläufiger Selbstverständlichkeit hat er dabei die Preise seines Genres gewonnen, allein den Kisch-Preis gleich dreimal. So scheint immer auch der Reporter im Romancier Osang durch, zum Vorteil für seine literarische Arbeit. In Königstorkinder hat sich Osang dem Berlin der Jetztzeit zugewandt, das im Roman trotz aller Literarisierung erschreckend erkennbar bleibt. Die Stadt ist längst wieder zweigeteilt: In der gentrifizierten schicken Welt am Königstor lebt Ulrike, die Frau mit dem hellblauen Sommerkleid; schräg gegenüber simuliert eine Hartz-Projektagentur für Andreas Hermann einen Arbeitsplatz. Die beiden verlieben sich, und was sie verbindet, das trennt sie zugleich – ein dunkles Gefühl der Erschöpfung durch das Leben und die täglichen Pillen, über die man nicht spricht. Jens Meyer fragt nach besseren Therapieformen für Berlins Neue Mitte.

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